Eine ältere Rezension auf Flächenklang

Am 07.01.2020 von Thomas Götze aus Facebook übernommen:

Thomas Götze 7. Januar um 13:37

Mir ist da ein alter Rezensionstext für Flächenklang vor die Füße gelaufen den ich möglicherweise schon veröffentlichte. Vielleicht aber auch nicht. Aber Facebook ist ja bekanntlich geduldig …

Thau | Bilder im Ohr

Dienstag, 5. Januar 2016
13:06

Siggi Jespen scheint die Hauptfigur in Siegfried Lenz Buch „Deutschstunde“ zu sein. Aber über weite Strecken übernimmt meiner Meinung nach, die Emil Nolde nachempfundene Figur des Maler Max Ludwig Nansen die Leitung im Roman. Und tatsächlich sind Nansens Bilder die letztlich alles zusammenhaltende Hauptfigur im Buch. Zumindest für mich, der ich das Buch viele Male gelesen habe. Freiwillig. In meiner Schule las man so was nicht. Die meisten Schüler wären über die erste Seite nicht hinaus gekommen. Sie hätten diese erste Seite von „Deutschstunde“ als unüberwindbare Herausforderung angesehen, und folgerichtig nicht gemeistert.

Noldes Bilder (und damit die der Romanfigur Max Ludwig Nansen) sind Bilder des Expressionismus. Sie sind deutlich im Ausdruck, stark in den Farben, und orientieren sich (vordergründig) nicht an der Natur als Motiv. Tatsächlich werden sowohl die überzeichneten Formen, als auch die zuweilen kräftigen, und ungewöhnlich zusammengestellten Farben ein besserer Ausdruck der Natur des Dargestellten, als es jedes hyperrealistische Bild, sei es gemalt oder fotomechanisch entstanden, leisten könnte. Womit wir bei Electra sind.

Ach, Electra. Die Wikipedia bietet reichlich Begriffserklärungen zu Electra (bzw. Elektra) an, von der Carmen nur eine ist, die bei mir hängen geblieben ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, Electra umgibt Mystik, Tragik, und natürlich auch Auflehnung. Autos, Flugzeuge, Schiffe und Kaffeemaschinen tragen den Namen, und wollen auf diese Weise etwas von dem Glanz des Namens auf sich ziehen.

Wie lässt sich von einer so schillernden Figur ein Bild malen? Zumal ein akustisches Bild? Natürlich mit den Mitteln des Expressionismus. Und so erklärt sich mir, wie sich Thaus Electra seit dem ersten Hören vor fast einem Jahr in meinen Kopf festgesetzt hat.

Das Album Electra wäre als Soundtrack für einen Film ungeeignet. Es hat weder Motiv, noch Themen oder Melodien. Allenfalls wiedererkennbare Figuren sind enthalten, die aber nicht mal über die Grenzen der Stücke hinweg überleben. Aber, (ich wechsle mal wieder zurück zu Max Ludwig Nansen) sie geben dem Motiv des Albums Kontur. Und Kontur braucht ein expressionistisches Werk, wenn es nicht im formlosen Durcheinander der Farben zur reinen Beliebigkeit werden will. Expressionismus braucht ein Motiv. Und das ist bei dem vorliegenden Album der Titel: Electra.

Immer wieder Electra. Die einzelnen Stücke werden zu den Farben des Bildes. Sie wird von dem Duo Thau, bestehend aus Bernd Michael Land und , in deutlich differenzierten Klangfarben, -kombinationen, und sowohl in vertrauten und auch ungewöhnlichen Klangzusammenstellungen herausgearbeitet. Und bleibt doch diffus, unerklärlich, unnahbar, eben: Electra.

Entstanden in Bernd Michael Lands Alien-Studio, bekannt für seine ebenso umfangreiche wie qualitativ edle Instrumentenpalette, ist das Album nicht nur ein Hörgenuss, sondern kann auch als Inspirationsquelle für neue Klänge und sorgfältige Produktionsmethoden gelten. Es zeigt, was in der Szene machbar ist.

Am Ende bleibt, Thaus Electra ist nicht zu fassen ist. Man kann sie nicht konsumieren, und im Anschluss zum nächsten Werk übergehen. Am Ende bleibt die Gewissheit, ich bin über die erste Seite nicht hinausgekommen. Ich muss es noch mal versuchen. Und darin liegt eine große Qualität in dem Album: Denn ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Versuch.

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